Erstmals beschäftigt sich das MAK in einer Sonderausstellung mit einem historischen Kunststoff und seiner Rolle im Design und in der Kulturgeschichte.
15.7.2020—13.12.2020
MAK Zentraler Raum
Anlass dazu bietet die Präsentation ausgewählter Stücke aus der Bakelit-Sammlung des Wiener Galeristen Georg Kargl (1955–2018), der dem MAK eng verbunden war. Kargl war nicht nur ein bedeutender Protagonist der Wiener und internationalen Kunstszene sowie Experte der Wiener Moderne im Bereich der angewandten Kunst, sondern auch ein großer Kenner und leidenschaftlicher Sammler von Bakelit.
 
Der erste echte Kunststoff der Geschichte trägt den Namen seines Erfinders: Der belgische Chemiker Leo Hendrik Baekeland (1863–1944) hatte in den USA an der Entwicklung eines kostengünstigen Isolationsmaterials für die Elektroindustrie als Ersatz für bis dahin eingesetzte Naturmaterialien wie Schellack und Zelluloid geforscht. Ab 1899 beginnt Baekeland mit der Arbeit, 1907 konnte er sein Ersatzprodukt auf Basis des Kohlenwasserstoffproduktes Phenol patentieren und den vollsynthetischen Kunststoff „Bakelit“ nennen. Ab seiner Markteinführung im Jahr 1920 wurde Bakelit aufgrund seines Härtegrades und seiner Hitze- und Säurebeständigkeit zum Material der Stunde für die Technik und Elektroindustrie im Zeitalter der Konsumgesellschaft und industriellen Massenproduktion, dem „Machine Age“. Erst später wurde es auch wegen seiner ästhetischen Qualitäten geschätzt, bedeutende Designer nutzten die Produkttechnologie in ihren Entwürfen für Massenprodukte im neuen „Streamline Design“.

Rund 300 Objekte aus formgepresstem Bakelit-Komposit geben einen Überblick über die Einsatzmöglichkeiten des Materials. Die strenge Ästhetik dieser Objekte resultiert aus der intrinsischen Beziehung zwischen erwarteter Funktion, technologischen Eigenschaften und Möglichkeiten des Materials sowie den verfügbaren Verfahren. In einem eigens für die Ausstellung entworfenen Display des Künstlers Mladen Bizumic werden die Objekte in 14 Sachgruppen präsentiert. Begleitende Texte, erarbeitet vom kuratorischen Team, erörtern die Geschichte eines Materials, das als erster Kunststoff die Produktion des frühen 20. Jahrhunderts revolutionierte und maßgebliche gesellschaftliche Bedeutung entfaltete.
 
Als Dokumente der Ästhetik der ersten Phase der Vollmechanisierung der modernen Gesellschaft haben Bakelit-Objekte einen unbestrittenen Stellenwert in der Designgeschichte. Die weitere Entwicklung von Kunststoffen wurde von sich wandelnden wirtschaftlichen Überlegungen bestimmt und zunehmend von ökologischen Fragestellungen beeinflusst. Heute erfüllt Bakelit als weder abbau- noch recycelbares Vollsynthetik-Material nur noch eine Nischenfunktion. Wie damals befinden wir uns auch heute an der Schwelle eines neuen Produktionszeitalters. Die Bakelit-Sammlung von Georg Kargl regt zur grundsätzlichen Reflexion über neue Materialien und ihre Bedeutung für die gesellschaftliche Entwicklung in einer Zeit des Umbruchs an.

Kuratorisches Team: Rainald Franz, Gerson Lessa
Künstlerische Ausstellungsgestaltung: Mladen Bizumic
Technische Koordination: Itai Margula

Dank an  Inés Lombardi